Berufsmesse bei Lavie entwickelt sich stark

Da zeichnet sich eine neue Kooperation ab: Lavie Reha-Geschäftsführerin Corinna Wollenhaupt mit (von links) Anja Frenz-Dolle (soz.-psych. Zentrum Braunschweig), Mareike Sendrowski und Brigitte Handel (beide Paritätischer Weg), Lena Jungclaus (Inn-tegrativ gGmbH), Juliane Hein (soz.-psych. Zentrum Braunschweig), Nadine Stafe (Inn-tegrativ gGmbH) sowie Messe-Organisator Thomas Grove. Foto: Regio-Press

Berufsmesse bei Lavie entwickelt sich stark

Lehrlinge geben Begeisterung an die nächste Generation weiter. Organisator stößt kreisübergreifenden Stammtisch an.

 

Königslutter. Eine Berufsmesse der etwas anderen Art fand jetzt bei der Lavie Reha gGmbH in Königslutter statt. 70 Jugendliche und junge Erwachsene aus hauseigenen Maßnahmen informierten sich über Lehrberufe, in die sie am 1. August 2024 einsteigen können. Das Ungewöhnliche: Alle Hintergründe zur Ausbildung erläuterten jene Azubis, die schon seit zwei Jahren eine Lehre bei Lavie machen.

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Das Portfolio der gemeinnützigen Gesellschaft, die sich neben der Psychiatrischen Jugend- und Erwachsenen-Reha im Schwerpunkt um Berufsvorbereitung und Reha-Ausbildung kümmert, ist beeindruckend. „Wir bieten Ausbildungsplätze in Hauswirtschaft, Metallverarbeitung, Holz, Maler, Gastro/Küche, Fachinformatik, Mediengestaltung, das Magazin und für Kaufleute im Büromanagement an“, erläuterte Thomas Grove. Er leitet seit 2022 den Fachbereich Berufliche Integration (FBI) und startete im vorigen Jahr die 1. Interne Berufsmesse „walk’n’talk“ unter dem Motto „Jetzt zeigen wir’s euch!“. Die Idee dazu schwärte schon bei Lavie, doch Grove brachte den endgültigen Anstoß mit von der Lebenshilfe Braunschweig: „Dort gibt es 13, 14 Abteilungen, und wir wollten mit der Aktion erreichen, dass alle Beschäftigten den gesamten Betrieb mal näher kennenlernten.“

In Königslutter ging der Ansatz nun tiefer: Indem die älteren Jahrgänge den jüngeren Bericht erstatten über Vor- und Nachteile des jeweiligen Berufs, helfen sie ihnen bei der richtigen Berufswahl. Was man dabei kaum hoch genug bewerten kann: Beide Gruppen agieren auf Augenhöhe. Sie kennen und teilen viele psychische Probleme, können sich gut in die Lage der anderen hineinversetzen. „Sie sind einfach näher dran an der Lebenssituation und werden darum sehr ernst genommen“, sagt Jasmin Blume. Sie ist Fachberaterin Inklusion und zudem für die Auslandspraktika zuständig. Im Übrigen habe das FBI nach der ersten Messe festgestellt, dass beide Seiten von der ungewöhnlichen Beratung profitieren: „Die BVBler nehmen für sich mehr mit durch nahezu gleichaltrige Ratgeber – und die Älteren profitieren von ihrem Vortrag ebenfalls.“ Am Ende waren alle stolz, ihre Ratgeber-Funktion gemeistert zu haben.

Zum Beispiel Leon Graffenberger. Er begrüßte die Gruppen, die sich im halbstündigen Rhythmus einfanden, in der Metallwerkstatt. Im Hintergrund schmiedeten Kollegen glühendes Eisen, im Vordergrund beantwortete er souverän alle Fragen, zum Beispiel nach der körperlichen und geistigen Belastung durch diesen Berufs, aber auch nach der Gehaltsperspektive. Graffenberger hat sich in den vergangenen 2,5 Jahren zu einem echten Metall-Fan entwickelt. „Wenn ich nächstes Jahr Lavie verlasse, will ich in Braunschweig an der Techniker-Akademie Maschinenbauer werden.“

Auf ähnliche Begeisterung trafen die Besucher bei Natalie Krämer und Cem Demir. Beide lernen im Bereich Büromanagement und sind dankbar dafür, in den vergangenen Monaten tief eingebunden zu werden in die Verwaltung der gGmbH. Sie hatten sich gut vorbereitet und spielten sich geschickt die Bälle zu. „Unsere Ausbildung ist eine interessante Mischung, wir planen den Empfangsdienst, schreiben Rechnungen und bereiten ganze Fachtagungen vor.“ Zur Abwechslung tragen externe Aufträge bei: „Wir haben sogar schon Bücher lektoriert.“

Doch die beiden sprachen auch über besondere Herausforderungen. „Ihr müsst euch ein Zeitmanagement angewöhnen – überhaupt ist die Eigenverantwortung ganz wichtig. Denn der Erfolg der Ausbildung hängt zum Großteil von euch selbst ab. Lavie bietet euch die Möglichkeiten, aber zugreifen müsst ihr schon selbst.“

Schnellstmöglich zugreifen will jetzt Fabian Schauzu. Der 26-Jährige war schon Gast der 1. Berufsmesse, wurde dann aber gesundheitlich zurückgeworfen. Im nächsten Lehrjahr wird er aber einsteigen und plant die Ausbildung Gastro/Küche. „Schon jetzt helfe ich im Kiosk und im Lavie-Cafè“, erzählt der freundliche, gut gelaunte Mann. „Ich arbeite gern mit Menschen und habe auch die erforderliche Offenheit“, betont er selbstbewusst. Das Konzept der Messe unter jungen Menschen in ähnlicher Situation lobt er ausdrücklich: „Die Ratgeber bringen unheimlich viel rüber und sind dabei viel lockerer als unsere Lehrer.“

Ein zufriedenes Resümee zog am Ende Thomas Grove. „Schade war nur, dass keiner der eingeladenen Kostenträger Zeit hatte.“ Immerhin kamen sechs Vertreterinnen anderer Institutionen, um sich die Messe und auch Lavie mal näher anzusehen. „Sie waren von unserem Angebot sehr angetan – und ebenso von den Ratgebern: Da wurde mancher Vortrag voller Inbrunst gehalten. Man merkte, dass viele ihre Ausbildung bei uns genießen.“ Der Austausch in dieser neuen Gruppe soll nun fortgeführt werden. „Eine Kooperation wäre auch zum Wohle der Teilnehmer sinnvoll.“

Geschäftsführerin Corinna Wollenhaupt freute sich über ein weiteres Detail der Lavie-Ausbildung: „Unsere Azubis legen oft sehr schöne Resultate hin, machen Einser-Abschlüsse und werden sogar Kammerbeste.“ Mindestens genauso groß sei die Freude, wenn nach vergangenen Misserfolgen oder trotz großer Lernhemmnisse überhaupt ein Abschluss erlangt werde. Darüber hinaus gebe es in Königslutter nahezu keine Abbrecher – im Gegensatz zur freien Wirtschaft. „Wir haben schon mal Unterbrecher, die aus gesundheitlichen Gründen eine Pause einlegen müssen.“ Doch die stiegen allesamt wieder ein, sobald es geht. „Ich bin sicher: Unsere hohe Abschluss-Quote liegt daran, dass wir die jungen Leute gut auf die Ausbildung vorbereiten.“ Die Interne Berufsmesse gehört ohne Zweifel zu diesem Erfolgskonzept dazu.

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November 6, 2023